Heute schreibe ich leider aus einem sehr traurigen Anlass. Am vergangenen Mittwoch, 18. April, ist meine Schreibfreundin und Mitstreiterin Ina in der Mainzer Uniklinik gestorben. Sie hat den siebenmonatigen Kampf um ihre akute Leukämie-Erkrankung verloren, obwohl sie bis zuletzt voller Hoffnung war.
Für mich ist es ein sehr großer, schmerzlicher Verlust. Sie war mir eine liebe und kritische Gesprächspartnerin, in vielen Kursen und Zusammenhängen seit etwa sechs Jahren meine Schreibschülerin. In meinen Schreibwerkstatt-Kursen der VHS Mainz, dem regelmäßigen Schreib-Atelier, in Sonderkursen, Sommerakademien und auf allen bislang stattgefundenen Schreibreisen, die ich veranstaltet habe, auf Sylt, in Worpswede und im Bücherhotel war sie dabei.
Wir konnten herzhaft zusammen lachen und unsere Kritik an der Welt miteinander teilen. Sie war stets mitfühlend und ich verdanke ihr eine Menge Hinweise, Anregungen und Informationen. Als selbstständige und selbstbewusste Frau war sie sehr realistisch und konnte einem wunderbar den Kopf zurecht rücken, dabei aber auch gedanklich neue Türen öffnen.
Sie kam in meine Kurse, weil sie zunächst den Tod ihres Bruders schriftlich verarbeiten wollte. Daraus wurde ein Zyklus von Texten über ihre Familie, an dem sie bis zuletzt gearbeitet hat. Viele von Euch erinnern sich wahrscheinlich an die skurrile und herzerfrischende Seebestattung der Asche ihres Bruders, eine Geschichte, die man, wenn man sie einmal gehört oder gelesen hat, nicht wieder vergisst. Damit hat sie sich unter anderem auf jeden Fall in unsere Erinnerung eingeschrieben.
In den vergangenen Jahren hat sie sehr viele Schicksalsschläge hinnehmen müssen, die nicht spurlos an ihr und auch nicht an ihrer Gesundheit vorüber gegangen sind. Nach ihrem Bruder verlor sie ihre Eltern und weitere ihr wertvolle Menschen an den Tod. Diese Verluste haben ihr sehr zugesetzt, das war auch auf den Schreibreisen spürbar.
Wir konnten uns immer freundschaftlich und in gegenseitigem Respekt begegnen und begleiten, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Sie gehört zur „Gründungsgruppe“ der Idee mit den Schreibreisen, die sie begeistert mit vorangebracht hat.
Von ihrer schweren Erkrankung, die sie mit viel Mut und Lebenswillen durchstand, erfuhr ich eine Woche nach unserer Rückkehr vom Bücherhotel im vergangenen September. Seither war sie, nur unterbrochen von einem dreiwöchigen Aufenthalt zu Hause Anfang des Jahres, die ganze Zeit in der Mainzer Uniklinik. „Ich verschwinde auf unabsehbare Zeit hinter den Krankenhausmauern“, nannte sie das. Sie bekam mehrere Chemotherapien mit zum Teil sehr schlimmen Nebenwirkungen, die den Krebs jedoch nicht besiegen konnten. Ende Februar stand eine Knochenmarktransplantation an, ein Verfahren, das weltweit bei dieser Erkrankung eingesetzt wird.
Sie hatte Hoffnung und Vertrauen in ihre Ärzte und in das Leben. Doch sie hatte keine Angst vor dem Tod, wie sie mir sagte. Nur davor, dass sie ihrer Familie, die ihr alles bedeutet hat, Schmerzen damit bereitet, ihrem Mann, ihren beiden Söhnen und ihrer Schwester.
Ich stand bis zuletzt mit ihr in Kontakt, solange das möglich war. Sie hat sich gewünscht, dass ich Euch von ihrer Krankheit, ihrem Zustand erzähle, auch, falls sie nicht zurückkommen kann, um das selbst zu tun.
Mit großem Interesse verfolgte sie noch die Entstehung meines zweiten Erzählbandes, in dem ich ihr eine Geschichte gewidmet habe. Darüber hat sie sich maßlos gefreut. Nun, da sie das Buch, das im Herbst erscheinen wird, leider nicht mehr in Händen halten kann, werde ich es ihr ganz widmen.
Sie fehlt mir. Ihre wache Stimme, ihr kritischer Geist, ihr Lachen, ihre Unaufgeregtheit und ihr trockener Humor. Alles das von ihr werde ich in mir tragen und bewahren. Ich bin dankbar dafür, sie gekannt zu haben.
Dieses Gedicht des irakischen Dichters Abdulkareem Kasid, worauf ich vor einigen Tagen stieß, scheint mir passend.
Ein Treffpunkt
Mit meinen Händen
Werde ich zwei Steine ergreifen,
Einen vergangenen, einen zukünftigen,
Und davonlaufen.
Sogar bei leisester Brise werde ich fliegen,
Einen Wind herbeirufen, er soll
Kommen und jede Spur tilgen,
Und ich werde wie ein Waisenkind
Am Straßenrand sitzen und meine
Beiden Steine betrauern.